Wie entscheiden Sie sich für eine Finanzierungsstrategie?
Sie haben endlich DIE Produkt Idee gefunden, die Ihr Startup zum nächsten Unicorn katapultiert? Glückwunsch! Damit haben Sie eine wichtige Hürde hinter sich. Die nächste Hürde die auf Sie wartet könnte Ihnen jedoch noch viel mehr Sorgen bereiten.
Vor allem kleine Start-ups geben an starke Schwierigkeiten zu haben, ihre Kapitalgeber von ihrer Geschäftsidee zu überzeugen. Demnach bleibt die Finanzierung von Startups auch weiterhin eine der zentralen Herausforderungen für Gründer.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten:
- Sie oder Ihr Umfeld besitzen genügend Erspartes um die Gründung zu finanzieren
- Sie wenden sich an profesionelle Geldgeber
Logischerweise handelt es sich bei der Wahl nach der richtigen Finanzierungsmöglichkeit um keine Entweder/Oder-Frage. Viele Finanzierungsformen lassen sich frei miteinander kombinieren. Das zeigt auch die PwC Startup Studie: jedes Jahr werden mehr Startups mischfinanziert, 2018 waren es bereits 77%.
Auch hier gilt wie immer: es gibt keine one-size-fits-all solution. Die passende Finanzierungsart hängt von vielen Faktoren ab und ist deshalb für jedes Projekt individuell abzuwägen. Nicht zuletzt kann/können die gewählte(n) Finanzierungsforme(n) sich stark auf den Erfolg des Unternehmens auswirken.
Die erste Frage die Sie sich auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten stellen sollten ist: bin ich bereit Anteile meines Unternehmens abzugeben? Falls die Antwort nein lautet, so können Sie bereits Business Angels, Venture Capital und Innovation Accelerators von Ihrer Liste streichen.
Bootstrapping
Ein 100% eigenfinanziertes Startup ist natürlich der Traum vieler Gründer. Die Unabhängigkeit die diese Variante bietet ist unschlagbar. Der Gründer behält hier die komplette Kontrolle über das Unternehmen und muss keinerlei Kompromisse mit Anteilseignern oder Darlehensgebern eingehen.
Außerdem begrüßen viele dass man durch die Eigenfinanzierung weit mehr motiviert ist das Unternehmen zu Erfolg zu bringen, schließlich geht es um das eigene Geld.
Allerdings sind nur 10% der neugegründeten Unternehmen rein selbstfinanziert. Und dafür gibt es Gründe. Realistisch gesehen steht dem Großteil der Gründer nur ein überschaubares Eigenkapital zur Verfügung, welches sich meist zwischen 5.000 € und 50.000 € bewegt.
Dementsprechend ist es auch unwahrscheinlich dass das Unternehmen schnelles Wachstum erfährt, schließlich sind große Investitionen in Personal, Produktentwicklung etc. kaum möglich. Dadurch können Mitbewerber ein selbstfinanziertes Startup schnell vom Markt drängen.
Und nicht zuletzt ist natürlich das persönliche Risiko ein großer Nachteil für den Gründer selbst. Sollte das Startup scheitern (was statistisch gesehen alles andere als unwahrscheinlich ist) verliert der Gründer sein persönliches Vermögen und könnte im worst case auch privat mit finanzielle Probleme kämpfen. Dieses Risiko erhöht enorm den Druck und Stresspegel auf den Gründer, besonders in der Aufbauphase des Unternehmens.
Family & Friends
Nun, im best case sind Sie kein Einzelgänger und haben ein soziales Umfeld welches bereit ist Ihnen auszuhelfen. Familie und Freunde sind typischerweise die ersten die von Ihrer Idee hören und von Anfang an in den Prozess involviert sind. Nicht aber zuletzt sind sie aufgrund privater Beziehungen eher bereit auf Ihr Angebot einzugehen.
Idealerweise beteiligen sich dadurch mehrere private Kapitalgeber an Ihrem Unternehmen, sodass nicht nur ein höherer Finanzierungsrahmen erreicht werden kann, aber auch das finanzielle Risiko auf mehrere Posten verteilt wird.
Typischweise sind Freunde und Familie bereit das Geld als zinsfreien Kredit zu Verfügung zu stellen. Das kann Ihnen so keine andere Variante bieten.
Allerdings wie bereits erwähnt: Scheitern ist nicht die Ausnahe sondern die Regel, 9 von 10 Startups scheitern innerhalb der ersten 3 Jahre. Das sollten Sie auch Ihren Kapitalgebern klar machen und sich vertraglich klar absichern. Ansonsten verlieren Sie im schlimmsten Fall nicht nur Ihr Unternehmen sondern auch Ihr privates Umfeld.
Crowdfunding
„Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“ (Afrikanisches Sprichwort)
Das ist das Prinzip auf dem Crowdfunding basiert. Um eine suffizientes Kapital zu erreichen gibt es diverse Crowdfunding-Plattformen auf denen einem breiten Publikum die Startup Idee präsentiert wird. Zusätzlicher Vorteil: den Privatpersonen auf besagten Platformen geht es weniger um wirtschaftlichen Profit als um das Unterstützen der Idee. Dadurch haben vor allem politische, gemeinnützige und nachhaltige Projekte Erfolg. Aber auch Sympathie kann ausschlaggebend sein.
Außerdem lassen sich durch crowdfunding nicht nur Unternehmen, sondern auch private Zwecke oder non-profits finanzieren.
Bekannteste Crowdfunding Plattformen
Förderungen
Die folgenden Optionen sind eine zusätzliche Finanzspritze, die jedoch häufig mit vielen Konditionen und oft auch Aufwand verbunden ist. Eine Förderung oder das Preisgeld eines Gründerwettbewers sollten jedoch nie als alleinige Finanzierungsstrategie gesehen werden, sondern als Möglichkeit das eigene Startup weiter zu pushen.
Staatliche Förderungen
Staatliche Förderprogramme sind oft eine sehr willkommene Finanzierungsmöglichkeit die mit wenigen Nachteilen verbunden ist. Es gibt in Deutschland sowohl eine Reihe an bundesweiten als auch viele regionale Förderprogramme.
Außerdem gibt es die Möglichkeit sich für EU Förderprogramme wie Horizon2020 und SME Instrument zu bewerben.
In Bayern gibt es unter anderem BayStartUp, GründerRegio M oder auch die technologieorientierten Förderungen Baytou oder DigitalBonusBayern. Da die Auswahl doch recht unübersichtlich ist sollten Sie sich den Fördercheck der EU-Förderung für Existenzgründer ansehen.
Bei Förderpogrammen ist jedoch allgemein zu beachten dass es oft eine große Menge an Vorraussetzungen und Fristen für die jeweilige Förderung gibt. Prüfen Sie also genau, ob Ihr Unternehmen diesen überhaupt entspricht.
Weitere staatliche Finanzhilfen sind der KfW-Unternehmerkredit und die ERP-Gründerkredite. Diese Förderkredite funktionieren exakt wie der klassische Bankkredit allerdings stammt das Geld aus öffentlichen Quellen. Diese Kredite bieten gegenüber Bankkrediten vergünstige Bedingungen, mit niedrigen Zinsen und langen Rückzahlungszeiträumen.
Hochschulnahe Förderungen
Da 83,9 % aller Gründer einen Hochschulabschluss besitzen und auch viele bereits während des Studiums Ihr Unternehmen aufbauen ist es schlüssig dass viele Förderungen an Studenten und Absolventen vergeben werden.
Eine der bekannteste Förderungen ist das Exist-Gründerstipendium mit einer monatlichen Förderung zwischwen 1.000 € und 3.000 €. Allerdings handelt es sich dabei offensichtlich weniger um einen Zuschuss für den Unternehmensaufbau, sondern eine Sicherung des Lebensunterhalts und Zuschüsse für Sachausgaben und Coachings.
Studierende, Absolventen und Mitarbeiter bayerischer Hochschulen können sich außerdem für das Flügge-Programm bewerben, welces eine monatliche Zahlung von 2.500 € beinhaltet.
Eine ausführliche Liste zu deutschen Gründerstipendien finden Sie auf der Website Gründerplatform.
Gründungswettbewerbe
Die Teilnahme an Gründerwettbewerben ist ein weiterer Weg einfache Finanzierung ohne viele Konditionen zu erhalten. Auch hier halten sich die Zuschüsse in einem kleineren Rahmung von einigen tausend Euro. Auch hier gibt es eine riesige Auswahl an lokalen, nationalen und internationalen Optionen.
Allerdings bietet der Gewinn an einem solchen Wettbewerb einen weiteren entscheidenden Vorteil: Aufmerksamkeit. Viele dieser Wettbewerbe werden intensiv von der Startup Branche verfolgt und vor allem die Gewinner aber auch Teilnehmer ziehen die Aufmerksamkeit von Kapitalgebern, Coaches oder Mentoren auf sich.
Eine Auswahl an Gründungswettbewerben
- IKT Innovativ
- KfW AWARD „Gründerchampions“
- Code_n Award
- Deutscher Gründerpreis
- Digitale Innovationen
- Breakthrough Award
- Start2grow
- Science4Life Venture Cup
- Münchner Businessplan Wettbewerb
- Start? Zuschuss! – Wettbewerb
Bankkredit
Nun zum Liebling der Startup Szene: 64% sind hauptsächlich durch einen Kredit finanziert. Diese Methode ist vor allem für größere Anschaffungen und Investitionen empfehlenswert. Typischweise vergibt die Hausbank Summen zwischen 25.000 € und 300.000 €.
Auf den ersten Blick bietet diese Variante viele Vorteile: die Kreditrückzahlung verläuft nach einem genau festgelegten Plan und die Bank erhält keinerlei Unternehmensanteile oder Mitspracherechte.
Genau deswegen ist die Herausforderung ersteinmal das Vertrauen der Bank zu gewinnen. Vor allem bei risikoreichen Geschäftsmodellen haben Banken wenig Interesse einen Kredit zu vergeben. Vorraussetzung um die Bank zu überzeugen sind deshalb ein professionell ausgearbeiteter Businessplan, gute Vorbereitung sowie private Sicherheiten.
Crowdlending
Crowdlending ist eine Unterform des crowdfunding und basiert ebenso auf der Macht der Masse. Der Kredit über die Crowd wird ebenso P2P (Peer to Peer) bzw P2B (Peer to Business) genannt.
Ebenso wie beim Bankkredit zahlen die Kreditnehmer die Summe innerhalb der vereinbarten Zeit verzinst zurück. Allerdings mit dem Unterschied, dass keine Bank über die Vergabe des Kredits entscheidet.
Dennoch gibt es Hürden um die Kreditgeber abzusichern: die Platformen über die der Crowdlending-Prozess erfolgt prüfen jeden Kreditantrag und weisen ihm eine Risikoklasse und einen Zins zu.
Erst nachdem der Antrag angenommen wurde können Anleger kleine (oder große) Beiträge zu den Krediten leisten. Nachdem genügend Kreditgeber bereit sind zu investieren wird der gesamte Kredit ausgezahlt.
Für alle folgenden Methoden, gilt, dass Ihr Startup nur Kapital erhält wenn Sie auch bereit sind Unternehmensanteile und womöglich auch Mitspracherechte abzutreten. Aber auch hier sind die Anforderungen und Ansprüche hoch. Deswegen ist gute Vorbereitung und professionelle Strategieplanung alles. In unserem Blogpost zu MVP Vorteilen erfahren Sie, wie ein MVP Ihnen helfen kann Investoren zu überzeugen.
Venture Capital
Venture Capital (VC), beziehungsweise auf Deutsch: Risiko Kapital, ist die Finanzierung eines Startups durch den Fonds eines Unternehmens. Bei dieser Finanzierungsvariante werden schnell mehrere 100.000 € bis zu mehreren Millionen Euro vergeben. Im Gegenzug erwarten VCs einen prozentualen Unternehmensanteil, aber auch Mitsprache- und Kontrollrechte.
Folglich sind VCs in der Lage starken Einfluss auf das Unternehmen zu nehmen. Zusätzlich üben sie starken Druck aus, um den Profit in die Höhe zu treiben. Denn ihr Ziel ist nicht unbedingt eine langfristige Zusammenarbeit, sondern der schnelle Exit. Deshalb können die Ziele des VCs nicht selten stark von den eigenen abweichen.
Um einen erfolgreichen VC Deal zu garantieren, ist viel Verhandlungskönnen gefragt. Ansonsten können vorschnelle Entscheidungen dazuführen, dass zu viele Unternehmensanteile für zu wenig Kapital getauscht werden.
Venture Capitals
Business Angels
Business Angels sind Privatpersonen, die mit ihrem Kapital in Startups investieren. Nicht selten sind Angels selbst Unternehmer die ein oder mehrere Startups zu Erfolg gebracht haben. Sie bieten Ihren Startups zusätzlich zu Kapital auch Expertise und Kontakte aus ihrem Netzwerk. Ihr investiertes Kapital bewegt sich meistens im Rahmen zwischen 20.000 € und mehreren 100.000 €.
Um den passenden Business Angel für Ihr Projekt zu finden, können Sie sich and das Business-Angel-Netzwerk Deutschland wenden.
Doch: auch sie sind genau wie VCs an einem profitablen Exit interessiert.
Inkubator & Accelerator
Beide Varianten bieten Gründern viele Möglichkeiten, vor allem aber Beratungsleistungen und teilweise auch Finanzierung. Allerdings haben Jungunternehmen aus Acceleratoren- oder Inkubaotren-Programmen auch eine deutlich höhere Überlebenschance.
Crowdinvesting
Aller guten Dinge sind 3: Crowdinvesting ist eine weitere Crowdfunding-Variante. Allerdings erhalten die Kapitalgeber im Gegensatz zu Crowdlending eine finanzielle Vergütung wie die Beteiligung an Gewinnen. Dafür erhalten die einzelnen Investoren aber kein Mitspracherecht, sodass das Unternehmen unabhängig operieren kann.
Der große Nachteil dieser Finanzierungsmethode ist die Offenlegung sensibler Details. Im Rahmen der Crowdinvesting Kampagne muss die gesamte Finanzplanung veröffentlicht werden. Überlegen Sie also genau ob es das Risiko wert ist, und ob der Handel von Kapital gegen Daten für Sie Sinn macht.
Fazit
Bereits bevor Sie sich an potenzielle Geldgeber wenden, sollten Sie sich eine detaillierte Finanzierungsstrategie zurechtlegen. Diese Überlegungen führen dazu, dass sie gezielt, wenige Kapitalgeber ansprechen, anstatt es auf gut Glück bei einer Vielzahl womöglich ungeeigneter Kapitalgeber zu versuchen. Nur weil Ihnen eine große Zahl an Finanzierungsmöglichkeiten offen steht, heißt das nicht, dass jede davon für Ihr Unternehmen geeignet oder förderlich ist.
Und vor allem: Verkaufen Sie sich nicht unter Wert. Bedenken Sie genau, ob und in welchem Ausmaß Sie bereit sind Unternehmensanteile oder auch Mitbestimmungsrechte abzugeben. Die Suche nach Finanzierungsmittel kann lang und anstrengend sein. Aber lassen Sie sich davon nicht demotivieren und überschreiten Sie nicht Ihre eigenen Grenzen.