Skalierung ist die Hauptaufgabe eines jeden Startups. Growth Hacking stellt dabei eine wichtige Hilfsstütze dar. Unabhängig von ihrer Mission oder ihrem Produkt müssen Gründer:innen ein exponentielles Wachstum ihres Unternehmens erreichen. Dabei ist nicht nur die Expansion des Geschäftsmodells gemeint, sondern auch eine Skalierung ohne erhebliche Investitionen.
Je besser also die Quote von Aufwand zu Wachstum ist, desto besser ist ein Geschäftsmodell skalierbar. Dennoch bedeutet das nicht das jedes Jungunternehmen skalierbar ist, besonders digitale Geschäftsmodelle schaffen es ressourcenschonend zu expandieren und die Nachfrage zu bedienen. Gute Chancen haben außerdem Startups mit geringen Anfangsinvestitionen, geringen Fixkosten und einem hohen Grad an Automatisierung.
Die Lösung für schnelles Wachstum ohne große Kosten ist eine Form des Growth Marketing: Growth Hacking. Growth Hacking erlaubt Marketing Experten in kurzer Zeit und mit geringem Kosteneinsatz das Startup zu maximalen Wachstum zu führen.
Growth Hacking hebt sich ab vom klassischen Marketing und seinen Kanälen und setzt stattdessen auf eine agile Optimierung aller Marketing- und Kommunikationsaktivitäten. Dadurch passt sich die Strategie perfekt an innovative Startups an, die gelenkt sind von Agilität und der Lean Startup Methode.
Was ist Growth Hacking?
Die Strategie, um mit geringen finanziellen Ressourcen ein breites Publikum zu erreichen, will neue Lösungen schaffen. Der traditionelle Marketing-Mix aus der klassischen Marketingabteilung reicht für ein disruptives Startup nicht aus, um schnell zu skalieren und so eines der wenigen Startups zu werden, denen nicht schon nach 2 oder 3 Jahren die Puste ausgeht.
Der Begriff hat sich seit 2010 etabliert und hat ein eigenes Berufsfeld geschaffen: Growth Hacker. Sein Job ist im Grunde zunächst der des klassischen Marketingexperten: User von einem Schritt zum nächsten zu bewegen, die Conversions zu tracken und sie somit durch den Funnel leiten. Der Begriff verrät aber schon, dass das Ziel nicht irgendein Wachstum ist, sondern Wachstum durch „Hacks“.
Das Wort „Hack“, das zurückzuführen ist auf den IT-Bereich, meint einen Trick oder eine List. Folglich ist das Ziel des Growth Hacking mithilfe von Tricks eine maximale Anzahl an Usern auf das Produkt aufmerksam zu machen und diese an sich zu binden. Die Hoffnung dabei, ist, dass der Trick ein schnelles, effektives und ressourcenschonendes Handeln erlaubt.
Vom „normalen“ Performance Marketing hebt sich Growth Hacking insoweit ab, als dass Kreativität, Neugier und analytisches Denken die Arbeit des Growth Hackers bestimmen.
Der Growth Hacker
Der Growth Hacker ist demnach jemand, der seine Kreativität zusammen mit modernen Technologien und digitalen Phänomenen verbindet, um breite Massen zu erreichen. Nicht zuletzt, weil sein Einfallsreichtum entscheidend für den Erfolg des Growth Hacking ist, spielt auch seine Persönlichkeit eine große Rolle.
Aufgaben des Growth Hackers
Um das Wachstum des Unternehmens voranzutreiben, durchläuft der Arbeitsprozess des Growth Hackers dieselben 5 Schritte des klassischen Marketing-Mix.
- Akquisition: Gewinnung von interessierten, potenziellen Kunden
- Aktivierung: die erste Benutzererfahrung
- Bindung: Kundenloyalität
- Monetarisierung: die Umwandlung in einen zahlenden Kunden
- Weiterempfehlung: Kunden zu Markenbotschaftern machen
Der Growth Hacker geht bei seiner Arbeit äußerst strategisch und zielgerichtet vor. Dabei hat er praktisch keine andere Wahl. Denn Startups müssen an allen Ecken sparen und so erst Recht beim Growth Hacking, welches per Definition ja schon kostengünstig erfolgen muss.
Mangelnde Ressourcen und unternehmerisches Geschick stellen den Growth Hacker also vor eine Mammutaufgabe. Er muss nicht nur mit sehr begrenzten Mitteln radikales Wachstum erzeugen, er muss gleichzeitig auch noch Defizite ausgleichen und gegen etablierte Unternehmen mit hohem Marketing Budget ankämpfen.
Wie der klassische Performance-Marketing-Manager muss auch der Growth Hacker seine Entscheidungen datenbasiert treffen. Growth Hacking als technologiebasierte Disziplin erfordert fundiertes Wissen im Umgang mit großen Datenmengen. Ein umfangreiches Vorwissen ist daher unerlässlich. Außerdem darf keine Entscheidung oder Optimierung getroffen werden, die nicht durch Datenanalysen gestützt wird.
Tools des Growth Hacking
Ein Growth Hack ist logischerweise immer ein individueller Trick. Das Kopieren oder Wiederverwenden von Hacks widerspricht der Growth Hacking Strategie. Die Hacks sind individuell auf Unternehmen und deren Zielgruppe angepasst und funktionieren dementsprechend auch am besten für diese. Außerdem arbeiten Hacks nicht selten mit einem Überraschungseffekt der bei Replikation natürlich verloren geht.
Auch der letzte Schritt des Funnels, die Weiterempfehlung, stellt einen wichtigen Teil der Strategie dar. Wurden erstmal Kunden auf das Produkt des Unternehmens aufmerksam gemacht, ist das nächste Ziel ein ewiger Kreislauf des Weitersagens und -empfehlens. Im besten Fall führt die Mund-zu-Mund-Propaganda innerhalb kurzer Zeit zu einem explosiven Wachstum des Startups. Das Endziel hierbei ist, dass das Produkt sich selbst vermarktet, und somit die Marketingkosten praktisch auf 0 sinken.
Viralität
Ein besonders beliebtes Tool ist auch die Viralität. Virales Marketing zählt zwar per se nicht zum Growth Hacking, verfolgt aber ähnliche Ansätze und ist ebenso ein beliebtes Startup Tool. Virales Marketing will ungewöhnliche, lustige und überraschende Inhalte mit einer Marke zu verknüpfen, welche sich im besten Fall wie ein Lauffeuer im Internet verbreiten. Dadurch ermöglicht es besonders große Zielgruppen anzusprechen mit besonders wenig Aufwand.
“Virality isn’t luck. It’s not magic. And it’s not random there’s a science behind why people talk and share. A recipe. A formula, even.“ – Jonah Berger
Besonders positive Beispiele der letzten Jahre waren zum Beispiel der Edeka Weihnachtsfilm unter dem #heimkommen oder die BVG Kampagne unter dem Motto „Weil wir euch lieben“.
Es sei vorher gesagt, dass es unzählige Growth Hacks bereits gibt und auch täglich neue entdeckt werden. Besonders da Growth Hacking eng mit den sozialen Medien verknüpft ist, führen Trends zu ständig neuen Hacks. Die folgenden Tools sind also nur eine überschaubare Auswahl an potenziellen Werkzeugen, um ein Startup zu skalieren.
1. Blog
Kreieren Sie relevanten Content, der Leser zum Teilen anregt. Vor allem mit Nischen-Themen, Listen, nützlichen Tipps, How-To’s und Infografiken generieren Sie mehr Traffic auf Ihre Seite.
Diese Strategie hat sich auch das Fintech Mint.com zu nutzen gemacht – der Blog zum Thema private Finanzen wird vielfach in sozialen Medien geteilt. Doch nicht nur Content der eigenen Webseite gehört zum Marketing Mix – Gastbeiträge in anderen Blogs machen neue Nutzer auf Sie und ihr Unternehmen aufmerksam.
2. Landing-Pages und Suchmaschinen
Suchmaschinen sind eine allgegenwärtige und 100 % kostenlose Werbefläche. Optimieren Sie Ihre Keywords und Landing-Pages, um auch so mehr Traffic auf Ihre Webseite zu bekommen. Indem Sie zum Beispiel zusätzlich Snippets, wie Sitelink-, Bewertungs- oder Standorterweiterungen, verwenden oder neue Features mit dem Trail-und-Error Prinzip austesten finden Sie durch Datenanalysen Optimierungsmöglichkeiten. Gut platzierte CTAs lenken Ihre Nutzer außerdem gezielt in einen Conversion-Funnel.
3. Automatisierung
Um eine nachhaltig erfolgreiche Strategie zu etablieren, sorgen Sie dafür, dass sich Ihr Content und Branding praktisch von selbst verbreitet, im Idealfall durch große, bekannte Webseiten.
Airbnb hat dies erfolgreich umgesetzt. Das Startup bot seinen Kunden an ihre Einträge auf seiner Seite auch gleich automatisch auf Craigslist, der bekanntesten amerikanischen Anzeigenwebseite, zu posten. So profitiert Airbnb von deren Bekanntheit, ohne auch nur einen einzigen Cent dafür zu zahlen
4. Retargeting
Ein Kunde, der bereits einmal bei Ihrem Unternehmen einen Kauf abgewickelt hat, wird mit einer vielfach höheren Wahrscheinlichkeit ein Produkt erwerben, als ein neuer Kunde. Obwohl dieser Zusammenhang auf der Hand liegen mag, unterschätzen Marketer weiterhin die Möglichkeiten von Retargeting.
Ein weiteres Ziel des Retargeting sind Kunden, die die Webseite zwar schon besucht haben, allerdings noch keinen Kauf abgeschlossen haben. Durchschnittlich sind zwischen 7 und 10 Impulse nötig um einen Interessenten zum Kauf zu bewegen. Eine einzelner Websitebesuch reicht dafür oft nicht aus. Um Interessenten also auch außerhalb der eigenen Webseite zu erreichen, werden Retargeting Strategien herangezogen.
5. Empfehlungsprogramme
Dieser Growth Hack hat sich bereits vielfach bewährt und wird deshalb auch so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden. Wichtig für Affiliate Programme ist, dass dem Kunden ein Mehrwert geboten wird, welcher auch so interessant ist, dass andere bereit sind das Produkt aktiv zu promoten.
Dropbox ist wohl das bekannteste Beispiel für ein Startup, das durch ein Affiliate Programm erfolgreich wurde. Doch auch Shopify, Clickfunnels und Dreamhost erfuhren dadurch rasantes Wachstum. Dropbox hat dabei auch bewiesen, dass eine Vergütung nicht immer monetär sein muss – durch Weiterempfehlung bekamen Nutzer mehr freien Speicherplatz, und so wuchs das Unternehmen von 100.000 auf 4 Millionen Nutzer.
6. Fake User
Fake it till you make it! Auch im Growth Marketing wird geschummelt. Reddit legte seinerzeit hunderte falsche Profile an, um die Seite populär erscheinen zu lassen. Doch es geht noch perfider: viele Dating-Apps und Plattformen beschäftigen Mitarbeiter, welche mithilfe von Fake Profilen mit echten Usern schreiben, damit diese weiterhin interessiert sind, beziehungsweise im worst case Geld ausgeben, um weiter mit dem Fake Profil zu schreiben.
7. Content Upgrades
Um das favorisierte Target zu erreichen, verwenden viele Online Marketer neben ihrem „Standard“ Content sogenannte Content-Upgrades. Zum einen um neue Leads zu generieren, zum anderen um die Beziehung zu bestehenden Kunden weiter zu stärken. Content Upgrades sind eine extrem spezifische Form von Bonus Content, der sich perfekt in das Thema eines Blogbeitrags einfügt. Die beliebtesten Formen sind Checklisten, PDF Blogposts, Starter Guides oder kostenlose E-Books.
8. FOMO ausnutzen
Die Fear of missing out (auf dt. Die Angst etwas zu verpassen) ist ein soziales Phänomen welches sowohl online aber auch offline Auswirkungen auf unser Leben hat. Niemand will ein tolles Event oder eine gute Party verpassen. Die Folgenvon Social Media verstärken dieses Phänomen: 56 % der Social Media User befürchten etwas Wichtiges zu verpassen, wenn sie nicht regelmäßig ihre Newsfeeds checken. Diese Angst machen sich Marketer zu Nutzen, in dem sie einen künstlichen Zeitdruck erzeugen. Mit Timern für zeitgebundene Angebote oder Sonderaktionen werden User zum Kauf angeregt.
Herausforderungen von Growth Hacking
Wie bereits angesprochen müssen Growth Hacker in der Lage viele Aspekte unter einen Hut zu bringen – klassisches Marketing, moderne Technologien, Customer Service, Sales und HR – all das und mehr müssen in einer Strategie vereint werden.
Eine der größten Herausforderungen von Growth Hacking ist der Übergang von alten, traditionellen Marketingstrategien zu neuen, wachstumsorientierten Ansätzen. Denn zunächst müssen neue Prozesse strukturiert und digitalisiert werden, um im Human Workflow des Unternehmens gelebt zu werden. Ein gutes integriertes Managementsystem kann dabei helfen die anderen Systeme des Unternehmens miteinzubeziehen.
Als schwierig gestaltet sich auch die richtigen Mitarbeiter für ein Growth Hacking Projekt zu finden. Nicht jeder Online-Marketing Experte eignet sich automatisch auch als Growth Hacker. Ein solcher Mitarbeiter muss umfangreiche Kenntnisse aus dem Creative Marketing aber auch Kenntnisse zu Technologiethemen wie KI oder User Experience sowie Kenntnisse zum Umgang mit großen Datenmengen mitbringen.
Fazit
Growth Hacking hält sich nicht nur mit Startups auf – auch KMUs oder Großunternehmen sind inzwischen überzeugt von der Marketingstrategie. Ebenso beschränkt sich die Marketingmethode nicht auf B2C Unternehmen, sondern ist genauso im B2B Bereich einsetzbar.
Es gibt unzählige Hacks und Strategien, wie Ihr Startup skalieren kann. Da schlussendlich aber der Erfolg eines jeden Growth Hacks von der individuellen Situation, dem Startup, aktuellen Trends und sozialen Umständen abhängig ist, müssen Sie selbst herausfinden welche davon für Ihr Startup funktionieren.
Aber seien Sie auch auf der Hut. Growth Hacking wurde schon oft dafür kritisiert eine tiefgreifende Marketingstrategie mit schnellen und einfachen Hacks zu ersetzen. Achten Sie darauf durch den Erfolg von Abkürzungen durch Growth Hacks nicht eine umfassende Gesamtstrategie zu vergessen.
Als letzten Tipp: Warten Sie nicht zulange. Idealerweise starten Sie Ihre Growth Hacking Strategie bereits während der Produktentwicklung und nicht erst nach dem Launch.